Kurze Geschichte des Kremper Bittern

Den historischen Protokollen der Alten Kremper Stadtgilde von 1541 e.V. ist zu entnehmen, dass neben Bier, Wein, Kümmel auch Bittern während des Gildefestes die Stimmung hob. Im Jahre 1895 gründete Peter Hesse eine Niederlassung der Bahrenfelder Brauerei in der Breiten Str. 51, welche nach dem ersten Weltkrieg durch eine Spirituosenherstellung erweitert wurde. Peter Hesse und nach seinem Tod 1936 seine Witwe Anna und der Sohn Karl vertrieben und schenkten den Annaberger Klosterbittern aus, bis 1959 eine eigene Rezeptur durch die Gildebrüder Harald Bolten und Karl Hesse vorgestellt wurde: Der Kremper Gildebittern. Karl Hesse war für die Produktion und den Vertrieb zuständig. Harald Bolten sorgte für das Marketing und dichtete: „Herzhaft und ohne Zittern, schmeckt der Kremper Gildebittern!“.

Auf der Generalversammlung der Kremper Gilde wird seit den 50er-Jahren Kremper Bittern ausgeschenkt. Er wird sowohl zur Belohnung, als auch zur Bestrafung herangezogen, letzteres zuweilen etwas verschärft, ist er als sog. Fahnenschwenkerlikör bekannt und geliebt. Kremper Kaufleute und Bürger stiften traditionell auf dieser Versammlung Bitternflaschen zugunsten der Kremper Gilde. Ein- und Abgänge werden im Bestandsbuch akribisch von den Schaffern notiert.

Über die Jahre hinweg entwickelte sich der Kremper Bittern zu einem großartigen Aushängeschild für die kleine Marschenstadt. Die durch die Gilde und insbesondere die Fahnenschwenker geknüpften Freundschaften zu anderen nationalen und internationalen Fahnenschwenker- und Folkloregruppen haben den Gildebittern weit über die Stadtgrenzen bekannt und beliebt gemacht. Nach dem Tod Karl Hesses 1984 betrieb seine Witwe Eleonore Hesse die Getränkehandlung und Bitternproduktion weiter.

Ihr Laden glich eher einem Wohnzimmer. Reguläre Öffnungszeiten gab es nicht. Es war auf, wenn „Lore“ die Tür aufschloss. Ein Einkauf bei Ihr dauerte oft eine halbe Stunde oder mehr, denn es wurden nicht nur Geld gegen Getränke getauscht, sondern Neuigkeiten aus Krempe und Umgebung. Im Jahre 2004 stellte Lore, bereits über 80 Jahre alt, ihren Betrieb ein und ging in den Ruhestand.

Nun musste ein Ersatz gefunden werden, denn das Gildefest 2005 nahte. Mit dem Neubürger Werner Ott, der in seiner fränkischen Heimat eine Brennerei betrieb, wurde glücklicherweise schnell ein fachkundiger Nachfolger für die Produktion begeistert. Da das Originalrezept jedoch verlustig war, musste zunächst experimentiert und probiert werden. Der damalige Gildevorstand, bestehend aus Ältermann Detjens, Gildeschreiber Riemann, Hauptmann Schuldt, verstärkt durch Fahnenschwenkerobmann Spiegl opferte sich hingebungsvoll für diese Aufgabe und schließlich konnte der „neue“ Kremper Bittern vorgestellt werden.

Werner Ott erweiterte das Sortiment stetig um weitere Liköre, die zum Teil hoch prämiert wurden und sich in der Region großer Beliebtheit erfreuen. Zu nennen ist hier der Kümmel „Kremper Nr.1“, der ein Jahr lang in französischen Eichenfässern reift und bei Vollmond vom Bürgermeister über den Kremper Marktplatz gerollt wird. Im Jahr 2018 übergab Werner Ott die Likörherstellung an den Kremper Jung Helge Pahl, der sich seit etlichen Jahren mit der Produktion und dem Vertrieb von alkoholhaltigen Getränken beschäftigt, zuerst als Hobby, seit 2016 als Mitinhaber der Wacken Brauerei.

So lebt der Kremper Bittern weiter und rinnt durch die Kehlen, eingebettet von dem Trinkspruch:

Auf das Wohl der Gilde – Es lebe die Gilde!

Der Kremper Gildebittern
von Harald Bolten

Herzhaft und ohne Zittern,
schmeckt der Kremper Gildebittern.
Trink ihn, wenn der Speisen Mengen
Deinen Magen sehr bedrängen.
Trink ihn, wenn des Winters Kühle
Bei Dir erzeuget Frostgefühle.
Trink ihn bei der Sonne Glut –
Kalt! – in allen Fällen tut er gut.
Willst Du Deine Schuld begleichen,
Mußt Du Kremper Bittern reichen.
Soll’s zur Belohnung oder Bestrafung sein?
Mit Kremper Bittern wird die Stimmung wieder fein.
Heiß geliebt und kalt getrunken.
Trink, solang der Becher winkt –
Kurz sind uns’re Tage –
Wer weiß, ob man im Himmel trinkt –
Das ist eine Frage?

Alte Kremper Stadtgilde von 1541 e.V.

Die Kremper Brand- und Wehrgilde wurde 1541 unter der Regierung Christian III., König von Dänemark und Herzog von Schleswig-Holstein, gegründet.
Damals war Krempe eine wohlhabende Handelsstadt und bei der Belagerung der Stadt durch Wallensteins Truppen erwies sich die Gilde als eine notwendige Einrichtung. Ab 1835 wurde die Gilde von der Bürgerbewaffnung getrennt und nur noch als selbständige „Lustgilde“, zur Pflege alten Brauchtums, geführt. Repräsentiert wird die Gilde vom Ältermann, ihm zur Seite stehen der Hauptmann und der Gildeschreiber, gemeinsam sind sie der engere Vorstand.

Heute wird in jedem Jahr, immer am Montag nach Johanni (24. Juni), das traditionelle Gildefest gefeiert, zu dem auch die Fahnenschwenker der Alten Kremper Stadtgilde ihre prächtig verzierten Zunftfahnen schwenken. Der schwierigste Teil dieser hohen Kunst ist der sogenannte „Zitronenwurf“, der von einigen Fahnenschwenkern gezeigt wird. Dabei wird eine Fahne hochgeschleudert und gleichzeitig muss eine emporgeworfene Zitrone mit dem Säbel durchschlagen werden.
Danach beginnt der Umzug durch die Stadt. Um 13 Uhr wird der alte König öffentlich entthront und die „Freie Liebe“ in Krempe verkündet.